Eine junge Frau sitzt nachdenklich vor einem floralen Hintergrund. Es könnten Gräser oder Blumen sein, oder ein Busch, und sie sitzt davor, die Knie an sich herangezogen, die Arme verschränkt, das Kinn leicht darauf gelehnt und starrt versunken vor sich hin.
Es ist schwer auszumachen, ob sie nur nachdenklich blickt oder ob auch ein Hauch Melancholie darin mitschwingt, eins ist jedoch sicher: Die Farben, in denen das Bild gemalt ist, sind alles andere als schwermütig. Sie sind hell und frühlingshaft. Vielleicht hätte ich die junge Frau lächelnd malen sollen, dann hätte ich auch die letzten Zweifel an einer positiven Aussage ausgeräumt.
Aber man darf auch mal nicht lächeln. Man darf auch mal einfach nur sein. Dies gilt vor allem für Frauen, die von klein auf darauf konditioniert werden, zu gefallen.
Die Stirn runzeln oder die Gesichtszüge „entgleisen“ lassen, und mal nicht an die Außenwirkung denken, wie sehe ich aus, wie komme ich an, wie wirke ich jetzt grade auf andere.
Sondern einfach den eigenen Gedanken nachhängen. Sie wahrnehmen und wieder ziehen lassen, die eine oder andere Idee vielleicht wieder zurück holen, nochmal durch den Kopf gehen lassen oder auch mal hinterfragen. Ohne Eile, ohne Druck, ohne Effizienzgedanken.
Das scheint sie jedenfalls zu tun, sie wirkt ganz bei sich, und genau das sollte man ihr gönnen, sollte man allen Frauen, allen Menschen gönnen.
Dieses Bei-sich-sein scheint vielen Menschen abhanden gekommen zu sein, das fällt mir auf, wenn ich in der S-Bahn sitze, im Wartezimmer oder Café und alle nur auf ihr Handy starren, oder wenn mir im Internet Fotos von Influencer*innen begegnen, bei denen jede Haltung, jede Geste, jede Mimik eine einstudierte Pose zu sein scheint. Selbst dann, wenn es unabsichtlich und zufällig wirken soll - manchmal spürt man geradezu, wie oft vorher vor dem Spiegel geübt wurde.
Und ja, auch als Maler*in ist es schwer, seine Modelle nicht in Pose zu setzen. Vor allem dann, wenn man grade keine lebendigen Modelle zur Verfügung hat, sondern sich mit Vorlagen aus Zeitschriften, Fotos, Büchern behelfen muss. Denn diese Vorlagen sind, ästhetisch gesehen, in der Regel makellos und perfekt, da sie ja meist mit Werbung zu tun haben. Es ist schwierig, da eine Frau zu finden, die nicht irgendwie posiert, ihre Brust herausstreckt, die Hüfte nach außen schwingt, den Kopf kokett schräg stellt. Aber genau das wird zunehmend zu meinem erklärten Ziel: Frauen zu zeigen, die einfach nur sind. Die nicht posieren, nicht kokettieren, nicht mit der Kamera flirten.
Die einfach nur da sitzen und ihren Gedanken nachhängen. So wie die junge Frau auf diesem Bild.
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